Technische Regel für Gefahrstoffe
1. Erstellt durch:
Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS), überarbeitet 2020
2. Beschreibung
Gemäß der Deutschen Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) sind Arbeitgeber verpflichtet, Substitutionsmöglichkeiten zu ermitteln, zu prüfen, darüber zu entscheiden und dies zu dokumentieren. Der Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) erstellt Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS), welche den Stand der Technik, der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz sowie der Arbeitshygiene beschreiben. Weitere, wissenschaftliche Erkenntnisse, die sich auf die Anforderungen zur Vermarktung und Handhabung von gefährlichen Stoffen beziehen, werden hierbei berücksichtigt.
Ziel der TRGS zur Substitution (TRGS 600 und Regeln zu einzelnen Stoffen) ist es, Arbeitgeber dabei zu unterstützen
- Tätigkeiten mit gefährlichen Stoffe zu vermeiden,
- Gefährliche Stoffe durch Stoffe, Gemische oder Prozesse zu ersetzen, die unter den gegebenen Anwendungsbedingungen weniger gefährlich sind,
- Gefährliche Prozesse durch ungefährlichere Prozesse zu ersetzen.
Die grundlegende TRGS 600 nennt zunächst Informationsquellen, in denen mögliche Substitutionslösungen zu finden sind. Sie beschreibt Kriterien für die technische Machbarkeit, den Gesundheitsschutz, die physikochemischen Risiken von Alternativen sowie Kriterien für die Substitutionsentscheidung im betrieblichen Einzelfall.
Für die Bewertung eines Stoffes am Arbeitsplatz sind die folgenden Kriterien besonders relevant:
Gesundheitsgefahren:
können anhand des Spaltenmodells in Anhang 2 der TRGS bewertet werden. Das Spaltenmodell unterscheidet zwischen akuten Gesundheitsgefahren, und chronischen Gesundheitsgefahren, z. B. bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden, keimzellmutagenen oder reproduktionstoxischen Gefahrstoffen. Die Substitution erfolgt entlang der Reihenfolge innerhalb einer Spalte (Sehr hoch -> Hoch -> Mittel -> Gering -> Vernachlässigbar).
Physikalisch – chemische Gefahren:
können ebenfalls anhand des in Anhang 2 der TRGS 600 beschriebenen Spaltenmodells bewertet werden.
Risiken durch das Freisetzungspotenzial sind am Arbeitsplatz sehr relevant:
- Hohe Konzentration/Große Menge > niedrige Konzentration/ kleine Menge,
- Verfahren mit Benetzung großer Flächen > Verfahren mit Benetzung kleiner Flächen,
- Gas > Flüssigkeit > Paste,
- Staubender Feststoff > nicht staubender Feststoff,
- Sublimierender Feststoff > nicht sublimierender Feststoff,
- Niedriger Siedepunkt (hoher Dampfdruck) > hoher Siedepunkt (niedriger Dampfdruck),
- Offenes Verfahren > Verfahren mit integrierter Absaugung > geschlossenes Verfahren, > gekammerte Anlage (Geschlossenes Verfahren in eigenem abgeschlossenen Raum),
- Verfahren bei hohen Temperaturen > Verfahren bei Raumtemperatur,
- Verfahren unter Druck > drucklose Verfahren,
- Verfahren unter Erzeugung von Aerosolen > aerosolfreie Verfahren.
- Lösemittelhaltige Systeme > wässrige Systeme
Technische Eignung
Die technische Eignung ist Voraussetzung für die Substitutionslösung. Sie ist leichter zu beurteilen, wenn anerkannte Lösungen aus TRGS oder aus branchenbezogenen Quellen zur Verfügung stehen. Ansonsten muss die technische Eignung im Einzelfall geprüft werden. Grundsätzliche Überlegungen hierzu werden in der TRGS 600 dargelegt.
Bei der Entscheidung über die Implementierung der Substitutionslösung werden die technischen Eignung sowie der Gesundheits- und physikochemischen Risiken integriert betrachtet. Andere Schutzgüter, z. B. die Umwelt können je nach Relevanz einbezogen werden. Der Arbeitgeber kann auch wirtschaftliche Überlegungen in die Entscheidung miteinschließen, wobei aber höhere Kosten eine Substitution nicht grundsätzlich ausschließen. Bei Tätigkeiten mit gefährlichen Stoffen, die giftig, sehr giftig, krebserzeugend, erbgutschädigend oder reproduktionstoxisch sind (Kategorien 1 und 2) muss substituiert werden, wenn Alternativen technisch praktikabel sind und durch ihren Einsatz das Risiko für die Arbeitnehmer insgesamt verringert wird.
3. Verlässlichkeit
Eine wichtige Informationsquelle für diese Methode sind Sicherheitsdatenblätter. In verschiedenen, europaweit durchgeführten Studien wurden relevante Defizite in Sicherheitsdatenblättern identifiziert, die insbesondere im Bereich der Einstufung liegen. Es ist daher ratsam, die den Stoffen zugewiesenen Einstufungen anhand zusätzlicher Quellen (siehe Anhang der TRGS) zu überprüfen. Die Umsetzung der Europäischen Chemikalienverordnung (REACH) hat die Menge und Qualität der Informationen über Stoffe verbessert.
4. Anwendbarkeit
Der Schwerpunkt der TRGS 600 liegt auf dem Vergleich von Stoffen und Gemischen bei unveränderten Anwendungsbedingungen ("drop-in" Substitute). Der Ersatz gefährlicher Verfahren oder die Einführung von weniger gefährlichen Verfahren werden ausdrücklich auch als Substitution benannt und können bewertet werden. Wichtig ist, dass die Gefährdung am Arbeitsplatz insgesamt vermindert wird und andere Schutzgüter nicht beeinträchtigt werden. Beispiele im Anhang der TRGS 600 erläutern diese Prinzipien.
Die Methoden der TRGS 600 richten sich auch an KMUs und Nutzer, die keine speziellen Vorkenntnisse haben. Berücksichtigt werden chemische Gefahren, Expositionen und Risiken sowie die technische und wirtschaftliche Machbarkeit. Die Methode kann mit qualitativen Angaben arbeiten und benötigt keine Quantifizierung von Kriterien.
5. Nutzerfreundlichkeit
Die Methode der TRGS 600 ist auch ohne spezielle Schulung leicht nutzbar, wenn Sicherheitsdatenblätter vorliegen. Die Methode richtet sich primär an KMUs und nicht spezialisierte Verwender. Neben der Einbeziehung aller relevanten Entscheidungsfaktoren ist der wichtigste Vorteil der Methode, dass sie eine schnelle Bewertung einer größeren Anzahl möglicher Substitute und Alternativen unterstützt.
6. Einschränkungen
Die Methode basiert auf der Einstufung von Stoffen. Diese ist für alle Stoffe, die in der EU auf den Markt gebracht werden, vorgeschrieben. In Sicherheitsdatenblättern ist allerdings oft nicht erkennbar, warum eine Einstufung NICHT vorgenommen wurde (z. B. aufgrund fehlender Daten oder nicht schlüssiger Daten oder aufgrund von Daten, welche belegen, dass keine Gefahr besteht?). In diesen Fällen sollte geprüft werden, ob ein Stoff in anderen Quellen (z. B. ECHA Stoffdatenbank) eingestuft ist. Hilft dies nicht weiter, bietet die TRGS die Möglichkeit, Standardannahmen zu treffen.
7. Verfügbarkeit
Die TRGS 600 (Deutsch und Englisch) kann kostenfrei auf den Internetseiten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) heruntergeladen werden